Kinderschutzkonzepte im Kinder- und Teenyoga
- ann-christinbehren
- 22. Sept.
- 4 Min. Lesezeit
Yoga für Kinder und Jugendliche ist ein wunderbarer Weg, Bewegung, Achtsamkeit, Selbstwahrnehmung und Entspannung in das Leben junger Menschen zu bringen. Doch wie bei allen Formen von Arbeit mit Minderjährigen trägt Yoga-Leitung eine besondere Verantwortung: physisch, emotional und relational. Kinderschutz geht über reine Sicherheitsmaßnahmen hinaus – es geht auch um Respekt, Zugehörigkeit, Selbstwirksamkeit und Machtverhältnisse. In diesem Beitrag schauen wir uns Basisinformationen an, warum Kinderschutzkonzepte nötig sind, wie sie im Yoga bisher gehandhabt werden, wo (unbewusste) Machtgefälle und Adultismus wirken, und welche Themen Kinder und Jugendliche in den Yoga-Raum mitbringen, auf die Yoga-Lehrende reagieren sollten.
Was heißt Kinderschutz?
Kinderschutz ist ein Sammelbegriff für alle Maßnahmen und Haltungen, die dazu dienen, Kinder und Jugendliche vor Gefährdungen zu schützen und ihre Rechte zu wahren – körperlich, seelisch, sexuell, durch Vernachlässigung oder andere Formen von Gewalt. Ein Kinderschutzkonzept (oft auch Schutzkonzept genannt) ist ein strukturiertes, dokumentiertes Vorgehen, das:
Prävention gewährleistet (also Risiken reduziert, Bewusstsein schafft)
Verfahren festlegt, wie bei Verdachtsfällen zu handeln ist
Verantwortlichkeiten, Rollen und Zuständigkeiten definiert
Rahmenbedingungen schafft, in denen sich Kinder sicher fühlen und ihre Grenzen gewahrt werden
Rechtlicher Rahmen (in Deutschland, aber viele Prinzipien gelten auch anderswo):
UN-Kinderrechtskonvention: z. B. Recht auf Beteiligung, Recht, vor Gewalt geschützt zu sein
SGB VIII, §§ 8a, 72a: Schutzauftrag der Jugendhilfe, Verpflichtungen bei Kindeswohlgefährdung
Sport- und Bildungsverbände, Einrichtungen: häufig Pflicht oder starke Empfehlung, Schutzkonzepte zu haben
Führungszeugnisse, Fortbildungen, Schulungen, Verhaltensrichtlinien als Bestandteile
Warum sind Kinderschutzkonzepte im Yoga notwendig?
Aus yogaphilosophischer Sicht sind Kinder keine „unfertigen“ Wesen, die erst noch zu ganzen Menschen werden müssen. Der Yoga erkennt in jedem Menschen – unabhängig von Alter – bereits die vollkommene Essenz (Purusha), das innere Bewusstsein, das frei und unverändert bleibt. Kinder bringen diese Verbindung oft noch unverstellter zum Ausdruck: ihre Freude am Moment, ihre Fähigkeit zu Staunen, ihre Natürlichkeit im Körper.
Für uns als Yogalehrende bedeutet das zweierlei:
Wir ehren die innewohnende Vollkommenheit jedes Kindes.
Wir begleiten sie ohne Druck und ohne Ziel, sondern schaffen Räume, in denen ihre eigene Verbindung zu Körper, Atem und Geist spielerisch wachsen darf.
Kinderyoga ist daher weniger ein „Trainingsfeld“ für Disziplin, sondern ein Erinnerungsraum für Qualitäten, die auch wir Erwachsenen oft wiederentdecken dürfen: Präsenz, Offenheit und Lebendigkeit.
Besondere Situationen im Yoga mit Kindern und Jugendlichen:
Körperkontakt, z. B. bei Justierungen oder Hilfestellungen, kann riskante Grauzonen bergen
Intime Themen: Körperwahrnehmung, Berührung, Scham, individuelle Komfortzonen
Emotionale Offenheit, manchmal Verletzlichkeit: Atemarbeit, Entspannung, stille Momente
Unterschiedliche Entwicklungsstände bei Jugendlichen: körperlich, psychisch, sozial
Schutz vor Missbrauch, Grenzverletzungen, sexueller Belästigung
Ohne ein Konzept und ohne klare Regeln können Missverständnisse, unbeabsichtigte Grenzverletzungen oder gar Übergriffe passieren. Ein Konzept hilft, das Risiko zu mindern und gibt Sicherheit für Lehrende wie Teilnehmende.
Vertrauen schaffen
Kinder und Jugendliche sollen sich sicher fühlen, sich öffnen dürfen, ohne Angst vor Bloßstellung oder Missverständnissen. Vertrauen entsteht durch gute Rahmenbedingungen, Transparenz und verlässliche Strukturen.
Rechtliche Sicherheit & Professionalität
Für Lehrende kann ein Schutzkonzept eine Absicherung sein: klar definierte Rollenkonflikte, Verantwortlichkeiten, Umgang mit Beschwerden oder Verdachtsfällen. Auch die Reputation wird gestärkt, wenn deutlich wird: „Ich nehme Kinderschutz ernst.“
Umsetzung von Kinderschutz bisher im Yoga
Da Yoga oft in verschiedensten Kontexten stattfindet – Yogaschulen, Vereine, Freizeitangebote, Schulen, private Praxis – ist die Umsetzung sehr heterogen.
Was schon existiert:
Manche Yogaschulen oder Yogalehrende haben eigene Verhaltensregeln und Kodexe, z. B. wie Berührungen gehandhabt werden, wie Daten/Privatsphäre geschützt werden etc.
Fortbildungen oder Workshops, die Aspekte wie „Yoga mit Kindern“ behandeln, sensibilisieren manchmal auch für Grenzen, Fürsorge, Ethik
Netzwerke und Verbände, die Standards herausgeben oder empfehlen (z. B. Kinderschutz im Sport, Kultur- und Bildungsorganisationen, die Yogaangebote anbieten)
Wo Lücken bestehen:
Viele Yoga-Lehrende sind Einzelpersonen ohne institutionellen Rahmen, daher oft ohne formales Schutzkonzept
Unsicherheit, wie mit Grenzverletzungen umzugehen ist: Was ist noch okay, was nicht? Wer greift ein? Wann melde ich Verdacht?
Mangelnde Schulung speziell zu Macht, Machtgefälle, Adultismus und wie sie sich in Yoga-Situationen auswirken
Wenig Partizipation von Kindern/Jugendlichen bei der Gestaltung der Angebote und Regeln
Fazit
Kinderschutz im Yoga für Kinder und Jugendliche ist kein „nice to have“, sondern essenziell. Es geht nicht darum, Yoga zu reglementieren oder trocken zu gestalten, sondern darum, den Yogaraum so zu gestalten, dass er sicher, wertschätzend und wachstumsfördernd ist. Machtgefälle und Adultismus sind oft unbewusst, aber beeinträchtigen, wenn sie nicht reflektiert und bearbeitet werden. Ein gutes Schutzkonzept schafft Sicherheit, ermöglicht Offenheit und fördert eine gesunde Beziehung zwischen Lehrenden und Kindern bzw. Jugendlichen.
Als Sozialarbeiterin unterstütze ich Yogalehrende und Studios dabei, maßgeschneiderte Kinderschutzkonzepte zu entwickeln und diese wirksam in die Praxis zu bringen.
Dafür biete ich Fortbildungen sowohl für Gruppen als auch individuelle 1:1-Begleitungen an – von der ersten Sensibilisierung bis zur konkreten Umsetzung. So können Yogalehrende und Einrichtungen ihre Verantwortung professionell wahrnehmen und Kinder sowie Jugendliche in einem wirklich sicheren und empowernden Raum begleiten.
Quellen:
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).„Kinderschutz und Kinderrechte“ – Überblick zu gesetzlichen Grundlagen und Schutzauftrag nach §8a SGB VIII. https://www.bmfsfj.de
Deutscher Kinderschutzbund. Materialien zu Prävention, Schutzkonzepten und Kindeswohlgefährdung. https://www.dksb.de/de/themen/kinderschutz
Deutsche Sportjugend (dsj).„Kinderschutz im Sport“ – Praxishilfen für Vereine (übertragbar auf Yoga-Angebote). https://www.dsj.de/themen/schutz-vor-gewalt
Bundesarbeitsgemeinschaft Kinderschutzkonzepte. Handreichung „Kinderschutzkonzepte entwickeln“ (2021). https://www.kinderschutzkonzepte.de