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Yoga vs. Therapie vs. Yogatherapie?

Aktualisiert: 21. Feb. 2024

In diesem Beitrag geht es unter anderem darum, weswegen ich die Haltung "Yoga als Therapie." als eher schwierig wahrnehme, aber auch, wie Yoga und Therapie in Kombination hilfreich sein können.


"Yoga war meine persönliche Therapie, deswegen biete ich traumasensibles Yoga an!"


Eine Aussage, die mir sowohl von Personen aus der New Age Bubble und von Yogalehrer:innen (leider) nicht ganz so unbekannt ist. Dieser Satz und viele ähnliche Variationen, bzw. Umschreibungen dessen, haben mich dazu verleitet diesen Blogbeitrag zu verfassen, denn es ist nicht ganz unwichtig, das mal näher zu beleuchten.


Folgendermaßen lief eines der Gespräche, in denen dieser Satz aufkam und verteidigt wurde, ab:


A: Du meinst damit, also, dass du dich ergänzend zur Therapie mit Yoga ausgleichst und entwickelst? Dich dadurch forderst oder so auch für dich sorgst?


B: Nein, nein. Ich mach keine Therapie. Dafür ist meine Yogapraxis da. Therapie könnte mir psychisch niemals so gut helfen, wie Yoga es kann. Aus diesem Grund richte ich meine Stunden danach aus und helfe anderen betroffenen Personen.


A: Okay. Das klingt spannend... Hast du das irgendwo gelernt? Yogatherapie ist ja sehr langwierig und auch kostenintensiv.


B: Dafür brauche ich keine Ausbildung! Auch wenn wir in Deutschland leben, braucht man nicht für alles, was man anbieten will eine Ausbildung oder einen Zettel auf dem steht: "Ich darf das.". Yoga ist einfach die beste Körpertherapie. Da kann niemals eine Therapie herankommen, was ich schaffe und durchlebt habe.


Okay. In solchen Momenten stelle ich mir häufig die Frage, inwiefern das Wissen über Psychotherapien und psychologische Begleitung ausgereift ist oder wie die eigene Praxis so (psycho-)therapeutisch gestaltet werden kann. Auch frage ich mich, wie stark Ängste und Stigma ggfs. ausgeprägt sind, unter denen die Person evtl. leidet, weswegen sie solche Aussagen trifft. Ganz allgemein aber auch: Welche Erfahrungen wurden überhaupt schon mit einer Psychotherapie gemacht?


Der Satz: „Ich habe meine eigene Erkrankung mit Yoga begleitet und konnte in Verbindung mit XY, gute Schritte für mich gehen“ klingt nachvollziehbarer, als:


„Ich habe meine eigene Erkrankung mit Yoga geheilt/durchlebt. Aus diesem Grund begleite ich betroffene Personen therapeutisch durch ihre Erkrankung. Das ist meine Bestimmung."


Oder?


Yoga ist in erster Linie mit der Körperübungspraxis und der dahinter stehenden Philosophie auf etwas anderes ausgerichtet, als eine "klassische" Therapie. Zunehmend praktizieren viele junge Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen Yoga - teils wegen körperlichen Beschwerden, aber auch um Ruhe und Ausgleich zu finden. Manchmal aber auch mit der Intention sich sportlich zu betätigen und seine Dehnfähigkeit zu verbessern. (Wobei das kein Yoga ist ;) ). All das ist nachvollziehbar und kann - oberflächlich betrachtet - hilfreich und (kurzfristig) wirksam sein. So kann der Eindruck entstehen, Yoga hätte eine therapeutische Wirkung.


Doch wie sind eigentlich Yogalehrer:innen ausgebildet, um Menschen mit verschiedenen mentalen und psychischen Herausforderungen zu begegnen?

Prinzipiell kann man sagen, dass bei den Ausbildungen im Bereich 200H und der Aufbauausbildung mit 300H - erst einmal gar keine (psycho)therapeutische Ausbildung stattfindet. Es werden unterschiedliche Themen in den Ausbildungen aufgegriffen, doch der sensible Umgang im Yoga mit mentalen und psychischen Herausforderungen und Erkrankungen, stellt keinen Teil davon dar. Es gibt vereinzelt Ausbildungen, die sich auf diese Thematik eingespielt und sie zu einem Schwerpunkt gemacht haben.


Das diese breite und sehr spezielle Thematik in Ausbildungen nicht leichtfertig aufgegriffen wird, ist ein gutes Zeichen der jeweiligen Ausbilder:innen. Manche:r Yogalehrer:in hat bereits Wissen aufgrund einer anderen beruflichen Tätigkeit und lernt beides im Laufe der Zeit miteinander zu verknüpfen und aufeinander anzupassen. In aller Regel ist es jedoch so, dass Yogalehrer:innen darauf vorbereitet werden, Menschen mit Yoga zu begleiten, ohne einen (psycho)therapeutischen Schwerpunkt zu setzen.


Sich speziell damit beschäftigen, tut insbesondere die (relativ junge) Richtung des traumasensiblen Yogas oder auch der Yogatherapie. Beides sind separate Ausbildungen, welche mit mind. der 200H Grundausbildung erst begonnen werden dürfen und eng durch die Dozent:innen im Lehrverlauf begleitet werden. Das traumasensible/traumasensitive Yoga oder auch die traumasensible Achtsamkeit sind jedoch keine psychotherapeutischen Richtungen oder gehören nicht vorrangig zu deren Methoden. Es handelt sich hierbei weniger um einen Stil, denn mehr um eine Haltung. Von dieser kann in der Regel jede:r profitieren, der:die ein Nervensystem hat, denn darauf ist es ausgelegt. Menschen mit psychischen und mentalen Erkrankungen oder Herausforderungen haben ein aktiveres Nervensystem. Es reagiert anders, intensiver und mit deutlich höherem Stresspegel z.B. auf körperliche Berührungen, Stille, Atemübungen, laute Musik oder auch schnelle Bewegungsabläufe.


Festhalten kann man an dieser Stelle: Weder der Begriff des traumasensiblen Yogas, noch der der Yogatherapie sind geschützte Begriffe. Im Prinzip kann sich jede Person als Yogatherapeut:in betiteln, ohne eine Ausbildung darin absolviert zu haben/ haben zu müssen. Zudem gibt es keine standardisierte Ausbildung zum:zur Yogatherapeut:in.


Anders ist es jedoch bei dem Begriff der (Psycho-)Therapie. hier gibt es im Gegensatz zur Yogatherapie eine standardisierte Ausbildung, sowie eine staatliche Approbation, welche eine Heilerlaubnis enthält. Das "Heilberufegesetz" regelt sehr streng, welche Personen- und Berufsgruppen sich "Therapeut:innen" nennen dürfen, dies sind in der Regel Ärzt:innen, Psychotherapeut:innen und Physiotherapeut:innen. Mit der dahinter liegenden Ausbildung dürfen diese auf ihrem jeweiligen Fachgebiet therapieren. Wer also nicht selbst einen staatlich anerkannten Heilberuf hat, dem wird in der Regel empfohlen sich nicht nur rechtlich, sondern auch inhaltlich unbedingt abzusichern und ggfs. Rücksprache mit betreuenden therapeutischen Professionen zu halten.


Nun kommt an dieser Stelle meist die (teils provokativ aufmüpfige) Frage: Und was ist mit Heilpraktiker:innen?


Rund um die Thematik der psychotherapeutisch arbeitenden Heilpraktiker:innen spalten sich die Geister und Meinungen. Dies finde ich bis zu einem gewissen Punkt gerechtfertigt, da in vielen Fällen die Psychotherapie bei Heilpraktiker:innen eine Anmaßung von Kompetenzen ist. Die Ausbildung ist schwammig, selten standardisiert und teilweise kann nicht nachvollzogen werden, was Personen vor der Prüfung zum:zur Heilpraktiker:in inhaltlich gelernt haben. Letztendlich ist es so, das in einer Prüfung unter Beweis gestellt werden muss, dass die Ausübung der "Heilkunde" keine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung und Patient:innen darstellt. Danach gilt er als "staatlich anerkannt". Deswegen an dieser Stelle: Erkundigt euch, was die Personen beruflich vorher gelernt und gemacht haben. Manche Psycholog:innen praktizieren ebenfalls als Heilpraktier:innen, da eine Kassenzulassung zu teuer ist. Dies wäre eine Person, bei der ich wohl viel eher eine Therapie besuchen würde, als eine ungelernte Person, die wenig Vorwissen verfügt und sich aus Interesse nun daran macht, Personen mit psychischen Erkrankungen zu "therapieren".


Versteht mich nicht falsch: Es gibt Heilpraktiker.innen für Psychotherapie die genauso wertvolle Arbeit leisten (können), auch wenn nicht der klassische Universitätsweg gewählt wurde. Sie arbeiten ganzheitlich, besitzen jedoch die sogenannte Therapiefreiheit. Generell kann somit jede:r Heilpraktiker:in diejenigen Verfahren ausüben, die beherrscht werden. Dies können sowohl schulmedizinische als auch naturheilkundliche oder sogenannte „ganzheitliche Verfahren“ sein. Also auch Yogalehrer:innen, die diesen Weg einschlagen und die Prüfung zum:zur Heilpraktiker:in ablegen.


Horch mal in dich hinein und frag dich:

Ist es eine gute Grundlage Menschen mit therapeutischen Skills, Methoden im Yoga zu begleiten, wenn das grundsätzliche Ausbildungswissen fehlen könnte? Was kann ausgelöst werden, wenn jemand so mit Menschen interagiert? Und vor allem: Woher kommt das Wissen über diese Skills und Methoden, wenn keine fundierte Ausbildung dahinter steht?


Roland Steiner (Yogatherapeut mit eigener Praxis in Ulm) hat im Oktober 2017 in einem Interview der AZ (Abendzeitung München) ein Interview zu dieser Thematik gegeben und dort auch Stellung bezogen:


"Übende mit tiefgreifenden Persönlichkeitsstörungen, mit traumatischen oder psychotischen Erkrankungen und auch wenn sie von einer Vielzahl von verschiedenen psychischen Störungen betroffen sind, können vom Üben in der Gruppe überfordert sein. Hier ist unbedingt ein Einzelsetting unter der Anleitung eines Professionellen mit klinischer Erfahrung erforderlich. Für schwer psychisch kranke Menschen kann es schon eine große Herausforderung sein, für wenige Augenblicke die Augen zu schließen und bewusst zu atmen. Hier braucht es unbedingt ein fundiertes Störungswissen und ausreichend Erfahrung bei der Behandlung dieser Patientengruppe zusätzlich zum fundierten Wissen im Yoga."


Yoga kann helfen. Es kann dabei helfen, die innere und äußere Balance wieder herzustellen. Es trennt jedoch nicht zwangsläufig zwischen krank und gesund, sondern setzt bei Menschen an, die Balance wiederherzustellen oder aufrechtzuerhalten. In die eigene Yogastunde können jegliche Menschen kommen, mit ihren eigenen Themen und Herausforderungen. Doch manchmal sind diese so groß und spontan in ihrer Entstehung, dass es mehr braucht, als eine auf innere Balance ausgerichtete Klasse. Es braucht besondere Kompetenzen und Wissen zum grundlegenden Umgang mit den jeweiligen Beschwerden und auch der Erkrankung, um diesen gerecht werden zu können. Auch kann es sein, dass für betroffene Personen das Gruppensetting sehr anstrengend und aufreibend wirken kann, sodass nach einem guten Vertrauensaufbau erst einmal nur ein reines Einzelsetting genutzt werden sollte, um der Person gerecht zu werden.


An dieser Stelle soll noch einmal folgendes gesagt werden:

Der Blogbeitrag wurde von mir nicht geschrieben, um zu bashen, sondern um die Differenzierung und zugleich auch Schwierigkeit zwischen Yoga und Therapie aufzuzeigen.


Dieser Blogbeitrag war und ist ein Niederschreiben meiner Gedanken und zugleich eine Warnung davor, auf ominöse und auch unseriös wirkende Angebote einzugehen, die Aussagen in ihrer Werbung tätigen, wie: Mit Yoga, Ergänzungsmitteln oder ähnlichem, habe man sich selbst komplett therapiert. Therapie ist viel zu weit weg von mir und gibt mir nicht das, was mein Körper und ich wirklich brauchen.

Solche Aussagen leugnen unterschwellig die Wirksamkeit und auch die Notwendigkeit einer therapeutischen Behandlung. Es kann aber auch ein Indiz dafür sein, dass die geeignete Therapieform noch nicht gefunden wurde und es deswegen schlechte Erfahrungen und Gefühle gab. Das ist wirklich blöd und sollte so nicht sein.


Lass dir Ausbildungs- und Seminarzeugnisse zeigen, hinterfrage aktiv Angebote und nimm diese nicht im ersten Moment aus aller Not an. Manchmal kann es gut und richtig sein, gewisse Prozesse und Angebote zu hinterfragen. Bevor man diese Gelegenheiten annimmt und es einem nach hinten raus am Ende deutlich schlechter geht. Sprich mit Freund:innen, Ärzt:innen oder anderen Vertrauenspersonen. Tausch dich aus, hinterfrage, reflektiere. Nicht jedes Angebot ist hilfreich, einige sind sehr viel schwieriger rückwirkend zu bearbeiten, als wenn man direkt die Finger von ihnen gelassen hätte.


Nach wie vor: Ich habe hier ein Thema aufgegriffen, das oftmals als sehr heikel in der Yogaszene diskutiert wird. Vieles davon ist fundiert (siehe Quellen), einiges davon ist jedoch meine ganz eigene Meinung und Haltung. Vielmehr soll der Beitrag dich ins hinterfragen und reflektieren bringen.

 
 
 

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